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Ergün Laflı, Eva Christof Die Basaltgrabstele des Zabedibolos für Gennaios und Zebeis in Edessa/Şanlıurfa Gegenstand dieser Untersuchung ist eine Basaltstele (Abb. 1a–b), die sich derzeit im Museum in Şanlıurfa, im Garten vor dem im Jahr 1987 eingeweihten Zusatzbau des Museums befindet. Sie ist 1,23m hoch, 64cm breit und 44cm tief.1 Das Material ist ein grobporiger Basalt, der vermutlich aus einem lokalen Vulkansteinbruch stammt. Dargestellt sind zwei Männer bei einem Opfer an einem Altar. Die Stele ist ungefähr in der Mitte horizontal in zwei Teile zerbrochen. Der obere, schon länger bekannte Teil passt bruchgenau an den unteren, später gefundenen und zu einem unbekannten Zeitpunkt ins Museum gebrachten Teil. Während die obere Hälfte des Reliefs stärker der Verwitterung ausgesetzt war, weist die untere Hälfte einen besseren Erhaltungszustand auf, wahrscheinlich weil sie länger geschützt in der Erde lag. Beide Teile der Stele wurden erstmals im Jahr 2007 gemeinsam abgebildet.2 Davor war lange Zeit nur der obere Teil der Stele bekannt. Er wurde von Segal im Jahr 1970 publiziert,3 nachdem dieser sich in den Jahren 1952, 1956, 1959, 1961 und 1966 in Edessa zu Forschungen und Grabungen aufgehalten hatte. Er gibt an, dass die Stele im Museum in Urfa aufbewahrt sei. Nach dem von ihm verwendeten Foto dürfte Segal die Stele nicht in einem Garten, sondern in einem geschlossenen Gebäude dokumentiert haben, in dem sich das Museum damals befand, d.h. entweder in der Atatürk- oder in der Şehit-Nusret-Grundschule. Ein archäologisches Museum bestand zwar seit 1948, doch 1969 wurden die Sammlungen im derzeitigen Museum von Şanlıurfa neu eröffnet. Auch H. J. W. Drijvers, der die Stele 1980 in Cults and beliefs at Edessa besprach,4 kannte nur die obere Hälfte des Reliefs, wie nach ihm K. Parlasca, der sie in seinem Aufsatz Syrische Grabreliefs hellenistischer und römischer Zeit (1982) erwähnt,5 und auch noch J.-B. Yon in Les notables de Palmyre (2002).6 Das Relief dürfte aus Edessa oder aus dem umliegenden 1 2 3 4 5 6 Das Studium und die Dokumentation dieser Stele wurde ermöglicht durch die Genehmigung seitens der türkischen Generaldirektion für Kulturgüter und Museen (Datum: //2001; Nr.: B.16.0. KVM.200.11.02.02.14.01.222.11). Die Dokumentation fand im Jahr 2000 unter dem freundlichen Entgegenkommen des Museums von Şanlıurfa statt, wofür wir uns bei allen Beteiligten bedanken möchten. Dr. Sami Patacı (Universität Ardahan) hat die Fotos 1–3 bearbeitet. Sämtliche Fotos stammen von E. Laflı. AkIn u.a. 2007, 345f., 352 Abb. 4. Segal 1970, 30f. Anm. 5 Taf. 14b. Drijvers 1980, 24 Anm. 28 Taf. 8. Parlasca 1982, 15 mit Anm. 151f. (jedoch ohne Abb). Yon 2002, 135 Anm. 23. 456 Ergün Laflı, Eva Christof Gebiet stammen, auf jeden Fall aus der Oshroene,7 deren Kultur hauptsächlich mesopotamisch-aramäisch und in wesentlich geringerem Ausmaß griechisch-römisch geprägt war. Das Interesse der Forscher knüpfte an der zwischen den Köpfen der Dargestellten eingemeißelten griechischen Inschrift an, die Zeugnis für den griechisch-römischen Einfluss auf Edessa ablegt.8 Edessa war ein unabhängiges Kleinkönigtum, Hauptort der Osrhoene und befand sich in einer Pufferzone und Schnittstelle zwischen dem Imperium Romanum einerseits und dem Partherreich andererseits, wo sich verschiedene kulturelle und politische Einflüsse vermischten. Keiner der oben genannten Forscher kannte die Stele in Autopsie, sondern alle folgten Bild und Angaben der Publikation Segals. Zu Edessa und der Osrhoene gibt es mittlerweile zahlreiche historische,9 religionsgeschichtliche10 und linguistischepigraphische Forschungen,11 doch gibt es gerade hinsichlich der Untersuchung der Materialkultur mittels archäologischer Methoden Aufholbedarf.12 Ikonographie und Darstellung Das Material Basalt wird in der Osrhoene für Grabkunst verwendet. Die annähernd rechteckige Bildfläche nimmt einen unregelmäßigen Verlauf und besitzt keinen Rahmen. Die Reliefdarstellungen der beiden in Vorderansicht gezeigten Männer ragen bis zu 10cm aus dem glatten Reliefhintergrund hervor. Der untere Rand des Reliefs wird durch eine Standleiste für die Figuren begrenzt. Die beiden Männer stehen vor bzw. neben einem Altar und der vom Betrachter aus gesehen rechte scheint den obersten Teil des Altares mit der Hand zu berühren oder zu opfern. Sie tragen eine gegürtete, bis zum Knie reichende Tunika mit langen, in Horizontalfalten fallenden Ärmeln, ein Gewand mit Rundfibel, auf dem ein Stern abgebildet ist, sowie Hosen. Während die Hose der linken Figur glatt ist, weist jene der rechten Figur Vertikalfalten auf und wird unten von einem ringförmigen Wulst abgeschlossen. Beide tragen weiche Stiefel, wie sie für die parthische Tracht üblich sind. Die Füße weisen mit den Spitzen schräg nach außen. Die Männer sind mittleren Alters und tragen einen Kinn-, Wangen- und Schnurrbart, der entfernt an die antoninische Frisurenmode erinnern könnte, wenn es sich nicht um ein Darstellungsdetail handelt, das wie die anderen Darstellungsdetails der Stele eine Ikonographie aufweisen, die mit dem nicht unumstrittenen Gesamtbegriff als ›parthisch‹ bezeichnet werden.13 7 8 9 10 11 12 Die in den Museen von Gaziantep und Şanlıurfa aufbewahrten Funde stammen aus den Siedlungen in Zeugma, Epiphania, Doliche, Europus, Anthemusia, Şanlıurfa (Edessa), Birecik (Birtha Makedonopolis), Nizip (Nisibis), Suruç (Serug Batnae), Harran (Carrhae), Viranşehir (Constantia) und Samsat (Samosata). Häufig sind die genauen Fundorte der Objekte nicht bekannt. Drijvers 1977, 889; Sommer 2010, 225f. U.a. Segal 1970; Ross 2001; Luther 2000; Sommer 2003; 2005; 2006; 2010. Siehe u.a. Arbeiten von H. J. W. Drijvers. Zu den syrischen Inschriften: Drijvers, Healey 1999. Die griechischen Inschriften aus Edessa wurden u.a. von E. Sachau, J. E. Renan, V. Chapot, M. von Oppenheim und F. Hiller von Gärtringen, F. Nau, M. Gough, J. Segal sowie S. K. Ross, die Inschriften der Gaziantep-Region u.a. von F. Cumont, J. Wagner, G. Petzl, K. Parlasca und D. Kennedy erforscht. Zu den archäologischen Funden aus Edessa: Sommer 2005, 225 mit Anm. 1. Zu den Mosaiken aus Edessa: Segal 1970; Parlasca 1983; Balty, Briquel-Chatonnet 2000. Zu Skulpturen aus Edessa: Jacobs, Schütte-Maischatz 1999; 2006. Zu den Grabreliefs: Parlasca 1982. Zu den literarisch überlieferten Bauwerken und öffentlichen Gebäuden Edessas: Sommer 2005, 227. Zu Bauwerken in der Osrhoene: Baumeister 2011. Die Basaltgrabstele des Zabedibolos für Gennaios und Zebeis 457 Die Parther entwickelten keine einheitliche Formensprache,14 sondern standen zwischen mesopotamischem, iranischem und griechischem Einfluss, ähnlich wie das Königreich Kommagene am westlichen Euphratufer. Kennzeichnend für die Kleinkönigtümer ist die phasenweise Kooperation mit den Römern. Parthische Kunst gilt als Kunst, die in einer Vielzahl von Zentren geschaffen wurde,15 da das Partherreich ein Koglomerat unterschiedlicher regna war. Am bekanntesten sind die Zentren Dura Europos, Hatra, und die Osrhoene mit Edessa als Hauptstadt. Einerseits sind deutliche überregionale Gemeinsamkeiten zu sehen, andererseits auch viele charakteristische Unterschiede, bedingt durch die große Eigenständigkeit der Städte und Kleinkönigtümer, die sich in der Architektur und Kunst in differenzierten Lokalstilen manifestiert.16 Es gibt aber auch Gemeinsames, und die typischen Formen hatten tiefgreifende Auswirkungen auch auf das nicht-parthische Palmyra.17 Andere betonen den großen Unterschied der regionalen Stilformen und fordern, dass beispielsweise die Skulpturen des Partherreichs unbedingt nach Regionen zu behandeln seien.18 Angemessen wäre es, in Zukunft jeweils beide Perspektiven zu berücksichtigen. Die typische Hosentracht der Parther, die auch von den Männern auf der Basaltstele getragen wird, ist im Grund eine bereits achämenidische iranische Tracht und eine Weiterführung einer Reitertracht aus dem asiatischen Steppengebiet.19 Die wichtigsten Bestandteile20 bilden lange Hose, ein tunika-artiges langärmeliges Gewand oder eine Jacke, darüber ein Mantel, Schuhe oder Stiefel, sowie eine Kopfbedeckung. Die Ausstattung der Männer der Basaltstele weicht jedoch in einiger Hinsicht von diesem ›Normalbild‹ ab. So tragen beide Männer keine Kopfbedeckung. Das lange, tunika-ähnliche Hemd, wird in der Taille durch einen doppelten Gürtel zusammengehalten, der, wie es bei dem Mann rechts trotz der groben Oberflächen noch zu erkennen ist, lange, schön verzierte metallene Schließen aufweist. Dadurch sind die beiden Männer als Soldaten gekennzeichnet.21 Die linke Hand beider Männer umschließt jeweils einen Schwertgriff. Der Balteus des Mannes rechts ist an dessen Flanke in Relief angegeben. Im Partherreich gibt es je nach Ort unterschiedliche Bewaffnungsmöglichkeiten, am häufigsten sind Pfeil und Bogen, aber auch das Tragen von Schwertern ist belegt22 und sollte sogar ein Zeichen parthischer Identität werden.23 Trotz der Grobporigkeit des Materials und der Zerstörungen an einigen Stellen der Oberfläche sind noch zahlreiche gestalterische Details zu erkennen. Auf der Kleidung des Mannes rechts sind im Bereich des Oberkörpers Rautenmuster zu sehen. Bei beiden Männern wird die Tunika auf der rechten Schulter von einer Rundfibel mit Stern zusammengehalten. Um den Hals tragen die Männer ein Schmuckcollier, das bei dem Mann rechts deut13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Der Vollbart, jedoch eher in Kombination mit abgestuften Haaren, würde auch als lokale Tracht durchgehen: Landskron 2005, 97. Überblick über die Münzbildnisse der Arsakidenkönige mit den abgestuften Haaren bei Curtis 1998, Abb. S. 70. Landskron 2005, 101. Jacobs, Schütte-Maischatz 1999, 438. Vgl. von Gall 1998, 79 mit Anm. 52, 56. Von Gall 1998, 80. Jacobs, Schütte-Maischatz 1999, 359f. mit Anm. 5. Vgl. Landskron 2005, 94f. Curtis 1998, 61; Landskron, 2005, 94–97. Ellenbrock, Winkelmann 2012, 141. Landskron 2005, 98f. Jacobs, Schütte-Maischatz 1999, 442. 458 Ergün Laflı, Eva Christof licher zu sehen ist, das aber vermutlich auch bei dem Mann links vorhanden war. Männerschmuck ist bei den Parthern üblich und sehr beliebt. Getragen wurde Goldschmuck, sowie aus mehreren großen Gliedern bestehende Ketten, die wie hier an der Mitte der Vorderseite eine besonders große trapezförmige Schmuckplatte aufweisen, der in der Realität ein in Gold gefasster Edelstein entsprach.24 Ein ähnliches Halscollier ist beispielsweise auch auf der kleinformatigen Bauplastik eines Bogenschützen, ebenfalls in Edessa, zu sehen.25 Vor bzw. zwischen beiden Männern steht ein Weihrauchständer, in einer Form, die typisch für parthische Weihrauchständer ist: über einer dreiseitigen Basis auf Tierfüßchen sitzt ein konisches nach oben hin zulaufendes Element auf, daraufhin folgen zwei runde Gebilde die den Ständer ausmachen und obenauf folgt eine Opferschale. Eine sehr ähnliche Form zeigen der Weihrauchständer auf dem farbigen, ›Opfer des Konon‹ genannten Fresko im Tempel der palmyrenischen Götter von 70 n.Chr.,26 sowie ein derartiges Gerät aus Kalkstein mit syrischer Inschrift (Abb. 2), das im Garten des Museums in Urfa verwahrt wird.27 Dasselbe Gerät ist auch in den szenischen Darstellungen des sogenannten ›Dreifuß‹-Grabmosaiks28 in Edessa dargestellt. Das Objekt am linken Rand der Basaltstele, das eine weit ausladende runde Basis zeigt, auf dem ein pilaster- oder pfeilerartiges Gebilde bis auf Hüfthöhe des Mannes ruht, stellt eine anikonische Grabstele dar.29 Es ist anzunehmen, dass es sich bei der Basaltstele um eine Grabstele mit der Darstellung von zwei gesellschaftlich hochrangigen Persönlichkeiten aus Edessa handelt. Durch den Gebrauch der griechischen Sprache in der Inschrift wird die prorömischer Einstellung der Dargestellten deutlich. Die griechische Inschrift Auf der Vorderseite des Reliefs befinden sich drei Inschriftengruppen, die zusammen einen einzigen Text ergeben. In Edessa wurden sehr wenige griechische und dann hauptsächlich Grabinschriften gefunden, da die Sprache der Bevölkerung das Aramäische war.30 Der erste Inschriftenteil (A) mit sechs Zeilen befindet sich im verfügbaren freien Raum zwischen den Köpfen der beiden Männer. Der zweite Teil (B) besteht aus nur einer einzigen Zeile, die aus Platzmangel vertikal auf das rechte Objekt geschrieben wurde. Der dritte und letzte Teil (C) erstreckte sich ursprünglich über drei Zeilen und befindet sich auf der Standfläche der Figuren (Abb. 3). Die dritte Zeile ist jedoch so gut wie nicht lesbar, weil sie hier unregelmäßig abzubrechen scheint bzw. für die museale Aufstellung fest mit Beton vermauert wurde.31 Der Buchstabencharakter in den drei Teilen ist sehr ähnlich, so findet sich beispielsweise eine durchgängige Verwendung des runden Sigma. Die obere Hälfte der Ba24 25 26 27 28 29 30 Ellerbrock, Winkelmann 2012, 234–236. Jacobs, Schütte-Maischatz 1999, Taf. 42.3; 2006, Abb. S. 360–362. Ellerbrock, Winkelmann 2012, 211–213; 212 Abb. 41 (nach Cumont 1922/23 [Bd. 2, Atlas] Taf. 32). Bei einem Besuch im Museum von Urfa 2011 war keine Inv.Nr. ersichtlich. Segal 1970, Taf. 3. Segal 1970 nennt es »tripod«, zu weiteren Synonymen: Zaccagnino 1998, 41–52 (Thymiaterion/Escharis und weitere griechische und lateinische Bezeichnungen zu dieser Geräteart). Zu derartigen anikonischen Grabmarkern siehe Fraser 1977, 102 Nr. 95 Abb. 51a aus Thespiai (mit weiterführender Literatur). Drijvers, Healey 1999. Die Basaltgrabstele des Zabedibolos für Gennaios und Zebeis 459 saltstele wurde bereits von Segal publiziert und bereits seit damals ist die Datumsangabe mit Nennung von Monat und Jahr nach dem makedonischen Kalender, das Jahr 488, umgerechnet 176/7 n.Chr. und der Monat Gorpiaios, August, bekannt. Abschrift A 2 4 6 ΕΤΟΥСΗΠΥMHNOC ΓΟΡΠІΑІ ΟΥΖΑ ΒEΔ IΒΩΛΟ C B ΓENNAION C [?]A[?]ZΕBΕІΔΑOΚΥΡІΟСТHC [?]IΚΩΝІΑСAΝΕΘHKEΚΑΤΟ [ΝEIPON] - - - 2 Transkription A 2 4 6 B ἔτους ΗΠΥ μήνος γορπιαῖου Ζαβεδίβωλος Γενναίον C 2 [κ]α[ὶ] Ζεβείδα ὁ κύριος τὴς [ε]ικωνιὰς ἀνέθηκε κατ’ ὄ[νειρoν] - - - Übersetzung A Im Jahr 488 im Monat 2 Gorpiaios 3–6 (hat) Zabedibolos B (den) Gennaios C (und den) Zebeis (er), der Herr, die Bilder aufgestellt gemäß [einer Traumanweisung] - - - 2 31 Der Abschnitt C der Inschrift ist sehr schwer zu lesen und konnte nur unter Vorbehalten transkribiert werden. 460 Ergün Laflı, Eva Christof Zeilenkommentar A/Z. 1: Die Jahreszahl 488 nach dem syrischen Kalender entspricht dem Jahr 176/7 n.Chr.32 A/Z. 2: Gorpiaios ist der Monatsname des alten makedonischen Kalenders, der in Syrien bis in christliche Zeit verwendet wurde.33 Er entspricht dem Monat August. A/Z. 3–6: Der Personenname Zabedibolos ist in Edessa belegt und in Palmyra weit verbreitet.34 C/Z. 2: Mit der nachgestellte Apposition zu Zabedibolos, ὁ κύριος, ist eine Anrede wie, ›Herr‹, ›Meister‹, ›Mentor‹ gemeint. C/Z. 2: τὴς [ε]ικωνιὰς: Diese Form im Akkusativ Plural ist im Griechischen ansonsten nicht belegt. C/Z. 2–3: κατ’ ὄ[νειρoν] wurde gemäß der in griechischen Inschriften häufigen, an ἀνέθηκε anschließenden Formel35 ergänzt. Die restlichen Buchstaben der dritten Zeile sind durch die moderne Fundamentierung der Stele, aufgrund möglicher Fehlstellen und der groben Oberfläche des Steins nicht mehr lesbar. Edessa in antoninischer Zeit Die Inschrift erklärt, dass ein gewisser Zabedibolos für den links abgebildeten Gennaios und den rechts abgebildeten Zebeis die Stele errichtet hat und diese in das Jahr 176/7 n.Chr. datiert. Durch die exakte Datumsangabe ist eine Fixdatierung gegeben, die für Stilgeschichte und Formenentwicklungen undatierter Skulptur Nützlichkeit besitzt. Die auf der Stele abgebildeten Männer sind zwar nach typisch parthischem Prinzip auf Vorderansichtigkeit36 ausgerichtet, aber es fehlt ihnen noch die extreme Frontalität37 späterer Zeiten. Die Stele fällt aus römischer Sicht in die Regierungszeit des Mark Aurel (161–180 n.Chr.). Nach zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Parthern seit Augustus, schaffte es im Jahr 113 n.Chr. Kaiser Trajan, die römische Provinz Mesopotamia einzurichten, die u.a. auch Osrhoene mit Edessa beinhaltete. Im Jahr 117 n.Chr. musste zwar das eben erst gewonnene Mesopotamia von Hadrian schon wieder aufgeben werden.38 Trotzdem hatte dies dazu geführt, dass Osrhoene und Edessa in der Folge stärker unter römischen Einfluss kamen. Auffällig ist, dass in Osrhoene schon eine prorömische Partei vorhanden war, als L. Verus 163– 166 n.Chr. ins Partherreich einfiel.39 Die Könige Osrhoenes stellten sich mit den Römern gut, wie die Statuenweihung eines Mannes namens Banahar für einen hohen Offizier, den kaiserlichen Freigelassenen Aurelius Hapsay von ca. 176 n.Chr.40 zeigt, der sowohl exzel32 33 34 35 36 37 38 39 40 Zu den Umrechnungsmodalitäten siehe Ellerbrock, Winkelmann 2012, 166. D.h. im August. Zu den Monaten nach dem griechisch-makedonischen Kalender Ellerbrock, Winckelmann 2012, 165. Drijvers 1980, 24 Anm. 28 Taf. 8. Weber 2000, 59f. Von Gall 1998, 78. Landskron 2005, 94. Die beiden Männer auf der Basaltstele wenden ihre Köpfe leicht einander zu; auch durch die Positionierung ihrer Füße wird Raum in die Darstellung eingebracht. Zur politischen Lage Osrhoenes von Trajan bis Septimius Severus: Sommer 2003, 14–18; 2006, 74–82 mit Kartenmaterial; Ellerbrock, Winkelmann 2012, 70f. Sommer 2006, 77. Drijvers, Healey 1999, 36f.; Sommer 2010, 225. Die Basaltgrabstele des Zabedibolos für Gennaios und Zebeis 461 lente Beziehungen zu Rom hatte, als auch gleichzeitig von den Steppenvölkern akzeptiert wurde und dessen Nachkommen später als höchste Magistrate in Edessa dienten. In antoninischer Zeit lässt sich in Edessa auf Münzen mit den Rückseitenbildern des Marc Aurel, des Lucius Verus oder der Ehefrau des Marc Aurel, der Faustina Minor, ein König Mannos unter der Verwendung der griechischen Legende basileus Mannos philorhomaios abbilden.41 Die in antoninischer Zeit ausgeprägten, freundschaftlichen Beziehungen Edessas zu Rom sprechen dafür, dass die beiden Männer, Gennaios und Zebeis, aufgrund der Tracht zwar Einheimische sind, sich aber aufgrund der Verwendung der griechischen Sprache in der Inschrift ausgedrücklich zu den Römern bekennen. Das passt gut zum allgemeinen prorömischen Klima in Edessa und der Osrhoene in antoninischer Zeit. Während sich Drijvers noch unsicher war, ob es sich bei der Basaltstele um eine Votiv- oder Grabstele handelt, ist der Deutung als Grabstele der Vorzug zu geben, zumal das einfache cippus-förmige Grabmal des Gennaios in der linken unteren Ecke der Basaltstele mit dargestellt wird. Schlussbemerkung Durch die erstmalige Gesamtbetrachtung der vollständigen Basaltstele und die nunmehrige Kenntnis des weiteren Inschriftentextes ergibt sich, dass ein gewisser Zabedibolos im August 176/7 n.Chr. in Edessa für einen Gennaios und einen Zebeis die Stele aufstellen ließ. Die dargestellten Männer waren ranghohe Mitglieder der romfreundlichen Elite. Beachtenswert ist die Mobilität römischen Einflusses an der östlichen Peripherie des Imperium Romanum. Die beiden werden in einer in Edessa ortsüblichen Kleidung und mit ortsüblichem Schmuck dargestellt, tragen nach parthischer Sitte ein Schwert bei sich. Die Stele spiegelt durch die weitgehend ›parthische‹ Ikonographie und die griechische Inschrift, das in antoninischer Zeit auch aus anderen Quellen bekannte, besonders Rom-freundliche Klima des kleinen Königreichs Edessa in der Osrhoene. Ergün Laflı Dokuz Eylül Üniversitesi, Edebiyat Fakültesi, Arkeoloji Bölümü Tınaztepe/Kaynaklar Yerleşkesi, Buca, TR-35160 Izmir ergun.lafli@deu.edu.tr Eva Christof c/o Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Archäologie Universitätsplatz 3/2, A-8010 Graz eva.christof@uni-graz.at Literatur AkIn u.a. 2007: E. AkIn, F. S. Şahn, N. İnal, Güneydoğu Anadolu Müzelerindeki Roma Dönemi Eserleri Işığında Bölgesel Özellikler ve Atölye İlişkileri, Ankara (Araştırma Sonuçları Toplantısı 24.1, 2006), 341–356 Balty, Briquel-Chatonnet 2000: J. Balty, F. Briquel-Chatonnet, Nouvelles mosaïques inscrites d’Osrhoène, in: Monuments et mémoires. Fondation E. Piot 79, 31–72 Baumeister 2011: P. Baumeister, Some Aspects of the Development of Osrhoene in Late Antiquity, in: O. Dally, C. Ratté (Hg.), Archaeology and the Cities of Asia Minor in Late Antiquity, Ann Arbor (Kelsey Museum Publication 6), 225–245 41 Sommer 2005, 236 mit Taf. 6, 238 Anm. 53. 462 Ergün Laflı, Eva Christof Boehmer, Maran 2001: R. M. Boehmer, J. Maran (Hg.), Lux Orientis. Archäologie zwischen Asien und Europa, Festschrift für Harald Hauptmann zum 65. Geburtstag, Rahden Cumont 1922/23: F. Cumont, Fouilles de Doura-Europos, Bd. 2, Atlas, Paris Curtis 1998: V. S. Curtis, The Parthian Costume and Headdress, in: Wiesehöfer 1998, 61–74 Drijvers 1977: H. J. W. Drijvers, Hatra, Palmyra und Edessa. Die Städte der syrisch-mesopotamischen Wüste in politischer, kulturgeschichtlicher und religionsgeschichtlicher Beleuchtung, in: ANRW II 8, 799–906 Drijvers 1980: H. J. W. Drijvers, Cults and Beliefs at Edessa, Leyden 1980 (EPRO 82) Drijvers, Healey 1999: H. J. W. Drijvers, J. F. 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